Wednesday, January 11, 2012

Unser Oberster ..

Der Eindruck, den die hiesige Regierungsspitze hinterlässt, ist nicht gerade vertrauensfördernd. Ob und wie Wulff in irgendwelchen Machenschaften involviert ist, ist mittlerweile schon fast weniger von Bedeutung als sein Umgang mit den offenen Fragen. Eine Aura der Befangenheit bleibt, solange er nicht in die Offensive der Transparenz übergeht. Und das wird er aller Wahrscheinlichkeit nach nicht.

Hinüber ist sie, die joviale Kaffeekränzchenatmosphere, die unsere harmoniebesessene Kanzlerin am liebsten in Öl verewigt hätte. Dabei hatte Wulff gleich zu seinem Amtsantritt aufhorchen lassen, dass der Islam inzwischen auch zu Deutschland gehöre (was der derzeitig amtierende Innenminister ein knappes halbes Jahr nach Wulffs Statement postwendend widerum dementierte). Hoffnung keimte auf, der Würdenträger, der erst im dritten Wahlgang dazu bestellt wurde, könnte die Republik und ihre Bevölkerung tatsächlich repräsentieren.

Doch davon ist heute nicht mehr viel übrig. Wulff gesellt sich im kollektiven Gedächtnis nach Karl-Theodor zu Guttenberg als neueste Causa zu denen, deren Verhalten nach Konfrontation mit ihrem jeweiligen Vergehen ihnen eher das politische Genick gebrochen hat als es das Vergehen selbst vermocht hätte. 

Doch wer verfügt derzeit über die moralisch-gesellschaftlichen Anforderungen, die repräsentativen Zügel in der Hand zu halten, über jedweden Verdacht des Nebulösen, des Ungesetzlichen erhaben? In einer Zeit, die so gut wie keine toten Winkel mehr kennt? Eher würde man zum nächstbesten Reagenzglas greifen und den Idealkandidaten mit einem Wunschzettel voller Veranlagungen hochklonen anstelle ihn unter uns herauszufiltern, allein schon aus Zeitgründen. Das ist allerdings nicht der Sinn der Sache. Gesucht wird schlicht und ergreifend der eine, der alle vertreten kann. Und da wir zum Glück nicht mehr solch abartige Abstammungsfanatiker wie noch vor über einem halben Jahrhundert sind, bietet sich als Überlegung doch ruhig einmal ein Bundespräsident mit Migrationshintergrund an. Eine offene Forderung, die das Bild Deutschlands noch etwas deutlicher konturieren würde, da sich dann zu einer Frau als Bundeskanzlerin und einem bekennenden Homosexuellen als Aussenminister noch ein Bundespräsident mit ausserdeutschen Wurzeln dazugesellt. Die Neue Republik wäre noch flächendeckender repräsentiert.

Ein provokantes Argument für einen Bundespräsidenten mit Migrationshintergrund möchte ich zum Schluss noch in den Raum werfen: ein oberster Diener des Volkes, dessen Heimatbegriff auf mehr als einen Ort zutrifft, würde mit Sicherheit eine besondere Dankbarkeit ob dieser Aufgabe besitzen und ausstrahlen. Und eine grosse Gruppe, die sich derzeit noch nicht so recht in unserem Land vertreten fühlt, der Integration ein gewaltiges Stück näher bringen.


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