Monday, February 11, 2013

Schoolyard Stories

The young boy went home, slowly walking, wiping off his bleeding nose from time to time. When he entered the kitchen, his dad was sitting at the table studying the newspaper.

"What's up, son? What happened?"

"They beat me again."

"Who? The bullies?"

"Yes, dad, they did it again. They used batons and brass knuckles. Dad, I asked you before, and I know your answer already, but can you please allow me to carry at least something I could defense myself?"

The father laid the newspaper by side and leaned towards.

"Son, let me explain again my stance toward that topic. If I allow you to carry a similar weapon for yourself, if I provide you with it, we are sticking in the same game they are playing, understand that? We are not like them. And what if they overwhelm you, getting into possession of your self defense weapon? Then they are better armed than before, you can even defend yourself again with bare hands, it's a lose-lose game."

The son sighted.

"But dad, this has to stop, they are even attacking and beating other children blaming me for that. Do I not have the right to fight back?"

"Yes, son," the father replied. "But not with arming up to weaponry equality. Remind, we are better than the others, and in case we have to suffer until we finally crow over our counterparts."

"Dad, I have to suffer under those circumstances, not you," the boy began to yell. "I'm the one beaten up and aspersed. You are only speaking from time to time with their parents and explaining me afterwards that the situation among the adults is too complicated to solve in short terms."

A thick red drop of blood smacked on the kitchen floor. His dad stood up from the chair, eyes wandering around for some tissues.

"Shh, son, no need to get aloud, her, it's ok."

He reached his son a hankie.

"Hey, it's for me also not easy, that situation, you know? But I have my principles and they have to be strictly not to drop down on their level, understand? As I said: we are better than them."

The son focussed the red blood dot on the floor.

"So this means I have to become beaten up until they realize that they are doing wrong? Is that what you want to tell me?"

"Well," the father smiled shyly. "so seen yes, you described the best case scenario from the common development. We have to convince them that they are acting wrong offering them the chance of getting right. Then we could enter the stage of serious negotiations about a coexistence without the threat of getting attacked or beaten. That's what we are doing."

"Dream on," the son mumbled heading to the bath room.

Thursday, February 7, 2013

Von Fixern Und Freischaffenden

Es ist ein offenes Geheimnis. Ein Geschäftsmodell, das entlang der Grenze blüht. Du möchtest nach Syrien rein? Kein Problem, wenn man dich begleitet. Zu deinem Schutz natürlich. Fahrer, Übersetzer, bewaffnete Leibwache - das Angebot an Begleitern ist mannigfaltig, viele drängen sich auf dem freien Markt der organisierten Ausflüge in ein vom Krieg gezeichnetes Land. In früheren Zeiten der Revolution war Berichten zufolge das Betreten und das gesicherte Verlassen unentgeltlich, die Syrer waren froh, den ausländischen Besuchern die Realität auf dem Boden zu zeigen, sie boten ihnen die Möglichkeit, mit den Opfern des bewaffneten Konflikts zu sprechen, den Vertriebenen, den Verwundeten. Doch diese Zeiten haben sich geändert mit dem Auftreten hoch dotierter internationaler Journalisten und Fotografen, die im Auftrag grosser Medienagenturen unterwegs sind, um über das Drama in Syrien zu berichten.

Es geht mittlerweile um Geld. Ein paar hundert US$ sind üblich, grössere Agenturen zahlen dementsprechend deutlich mehr auf der Suche nach der Geschichte hinter der Geschichte. Die Frontlinien im Norden, von Idlib bis Aleppo, sind voller professioneller Berichterstatter, die Zeugen der Maschinengewehrgefechte und des Artilleriedauerfeuers werden. MIt einem Katheeba, einem Batallion, unterwegs zu sein, wird zu einem lukrativen Business, einige der Freiheitskämpfer behaupten, das Geld, das sie für ihre Dienstleistung erhalten, an bedürftige Syrer weiterzuleiten, andere wiederum, dass die Einnahmen 'in die Revolution' investiert werden, was soviel bedeutet, dass davon Versorgungsgüter wie Benzin oder Gas erstanden werden, und natürlich Waffen. Man kann es nicht vermeiden, Teil von dem Spiel zu werden. Selbst wenn sie noch so beteuern, ihr Honorar nicht zur Aufrüstung ihres Arsenals zu verwenden. Die monetarisierte Tragödie hinterlässt auf jeden Fall einen bitteren Nachgeschmack. Eine Handvoll Top-Fixer kontrollieren mehr oder weniger den gesamten Geschäftszweig, arrangieren auf professionellem Niveau All-Inclusive Rechercherundreisen, der Rest bietet sich verzweifelt auf dem Markt feil, vom Kontakter bis zum Zwischenhändler. Facebookseiten, deren Namen aus sämtlichen Kombinationen der Begriffe Freies Syrien, Medien, Journalisten, Agentur, Center besteht, schiessen wie Pilze aus dem Boden; auf den Strassen von Kilis, Reyhanli oder Antakya braucht man nur durch die Strassen schlendern, bis man angesprochen wird, erst der übliche Smalltalk, dann die magische Frage: Möchtest du rein nach Syrien?

Ausser dem Geld spielt Vertrauen eine wichtige Rolle. Kannst du der Person über den Weg trauen, die dir eine geführte Tour anbietet, die dich illegal über die Grenze schleust? Vergiss nicht, in den allermeisten Fällen sprichst du lediglich mit einem Kontakter. Auf seinen Deal einzugehen und sich plötzlich auf der Rückbank eines Wagens wiederzufinden, umgeben von alles andere als vertrauenserweckenden Figuren, könnte unter Umständen zu spät sein, um auszusteigen, so oder so. Syrer können sehr überzeugend wirken, wenn sie ihre Absichten verfolgen. Ein zögerliches 'vielleicht' und der Typ hat bereits sein Handy am Ohr, bereit, alles klarzumachen, jetzt gleich, auf der Stelle. Besser in dem Fall argumentieren, du müsstest erst noch Rücksprache mit deinen Auftraggebern halten (egal, ob's stimmt oder nicht, wirkt zumindest souverän) und ob man nicht die Mobilfunknummern austauschen könne, du würdest dich dann bei ihm melden, wenn alles klar geht. Hol dir ein türkisches Handy plus Prepaid-Karte, ist vergleichsweise günstig, nahezu alle Syrer, die in der Gegend sind, haben eins. Auch wenn der Vermittler dir versichert, Geld sei nicht das Problem, es gehe um die Wahrheit, über die berichtet werden muß, spätestens bei deiner Rückreise über die Grenze könnte es sich zu einem Problem entwickeln. Generell wird empfohlen, mindestens 500 US$ während des Verbleibs in Syrien mit sich zu führen, für alle Fälle, und diese treten mit Sicherheit ein. Fahrer können verschwinden, Autos nicht mehr funktionieren, eine Granate oder eine Kugel dich treffen. Betrachte es als deine persönliche Absicherung gegen das Unvorhersehbare, neben dem Tod der treueste Begleiter auf deiner Reise. Solltest du nicht zu der Gilde der professionellen Berichterstatter gehören, solltest du einfach nur die bewaffneten Rebellen begleiten wollen, selbst ein Gewehr in die Hand nehmen, dann sind die Chancen hoch, dass sie dich gratis reinbringen.

Viele Erzählungen ranken um Gefechtsfreiwillige, die sich den Katheebas anschliessen, an ihrer Seite kämpfen, Regimesoldaten und Shabeeha töten. Ehrenwertes Engagement oder zweifelhafter Heroismus? Kommt ganz darauf an, von welcher Seite man es betrachtet. Einige der Rebellen sind heilfroh über jede helfende Hand, auch wenn Blut daran kleben sollte, welches auch immer, solange es nicht das des freiheitskämpfenden syrischen Volkes ist. Verzweifelte Lagen schaffen verzweifelte Massnahmen. Menschenliebende Idealisten werden früher oder später in dieser Atmosphäre verglühen, sollten sie nicht mit ihresgleichen in Kontakt kommen.

Desillusionierung ist eine der Eintrittskarten hier unten. Von der gemütlichen Couch aus betrachtet, tausende Kilometer weit entfernt vom Geschehen, Laptop auf den Oberschenkeln, wirkt alles so tapfer, selbstlos, couragiert. Doch die Realität hier unten wirft dich genauso jäh zu Boden wie die Hand eines Shabeehs nach deiner Festnahme. Es gibt einen neuen Gesamtausdruck, der Tod und Zerstörung beschreibt: Profitabel. Akzeptiere es und die Welt wird sich weiterdrehen. Der Wert menschlichen Lebens ist ist auf Clicks, Likes, Einschaltquoten, Auflagestärke reduziert; ein strahlendes Kind zwischen den Zelten im Flüchtlingscamp, eine weinende Mutter, die den Tod ihres geliebten Sohnes betrauert, ein resignierender Patient, der vor dem Hospital auf eine Visite, eine Weiterbehandlung wartet - all diese Bilder besitzen sozusagen reinen materiellen Wert, um Aufmerksamkeit beim Betrachter der Bilder, beim Leser, beim Spendewilligen zu wecken.

Neugier hat in diesem Fall nicht die Katze umgebracht, Neugier tötete die letzten hoffnungsvollen Erwartungen der Opfer, der bedrängten und bedrohten Zivilbevölkerung. Sollten sie einen Journalisten in dir sehen, verdunkeln sich ihre Mienen, verhärten sich ihre Züge, sie haben nichts für reine Story-Jäger übrig, die hinter den menschlichen Tragödien und Abgründen her sind, emotionale Anteilnahme vorgaukelnd, während sie in Gedanken längst wieder in der Hotellobby sitzen, ihre Mails checken, frische Auftragsangebote prüfen, sich mit den Kollegen über die Erfahrungen hier unterhalten. Das ist der grobe Eindruck, der bei den Syrern hinterlassen wurde. Daher reagieren sie entweder verschlossen und reserviert oder erzählen einem krude Storys, die ihrem verwirrten, traumatisierten Verstand entspringen. Sie sind die wirklich Betrogenen diese Kampfes um Freiheit, in dem sich Syrien befindet.

Viele erwähnen den Begriff der 'gekaperten Revolution', ein Zustand, für den sie verschiedene Fraktionen des blutigen Konflikts verantwortlich machen von ausländischen Kämpfern bis hin zu Radikal-Religiösen, manchmal handelt es sich bei beiden übrigens um ein und dieselbe Person oder Gruppe. Die Maschinerie der professionellen Kriegsberichtserstattung ist jedoch gleichermaßen verantwortlich für die ernüchterte Haltung. Und die Fixer sind, unfreiwillig oder auch nicht, zentraler Bestandteil jenes Geschäfts, das in den Augen vieler Kriegsopfer den letzten Rest Würde beseitigt. Die Würde ist übrigens zusammen mit der Freiheit eine der Hauptforderungen seit Beginn der Revolution. Was das Paradoxon äusserst treffend beschreibt: um die Freiheit von einem extrem gut bewaffneten Gegner zu erlangen, musst du selber an adäquate Waffen herankommen. Und da deine Unterstützer dir keine angemessenen Waffen liefern mit der Begründung, sie könnten 'in falschen Händen' enden, wirst du auf einmal sehr kreativ bei der Beschaffung von Geldmitteln, die in Waffen und Munition investiert werden. Selbst, wenn dabei die Würde geopfert wird. Lediglich in Momenten träumerischer Verherrlichung handelt der Held in selbstloser Gerechtigkeit für die Sache. In der gegenwärtigen Realität handelt jedoch derjenige mit dem dicksten Geldbeutel.

Doch es gibt auch eine andere Seite der Revolution, ein kleines Paralleluniversum zwischen den verhärteten Fronten, das versucht, die Menschlichkeit aufrecht zu erhalten. Aktivisten, die sich engagieren, die Volksbewegung zu unterstützen, gewaltlosen Widerstand aufrecht erhalten, in den Flüchtlingscamps als medizinische Assistenten arbeiten, zusammen mit ihren syrischen Freunden Projekte ins Leben rufen. Aus aller Herren Länder kommen sie, den ursprünglichen Funken des Arabischen Frühlings in sich tragend, die klare Forderung, über Tyrannei und Ungerechtigkeit zu obsiegen. Zierkarpfen in einem Piranhabecken. Mehr oder weniger toleriert, aber nicht ernstgenommen von den Mispielern auf dem Schlachtfeld, verbal attackiert von verschiedenen Seiten, vor allem den religiösen Fundamentalisten, die 'diese säkularen Freigeister' argwöhnisch beobachten bei ihrem Kampf gegen jedwede Form des Totalitarianismus, es könnte ja immerhin ihren eigenen betreffen. Es ist nicht einfach, höhere Ziele aufrecht zu erhalten in Zeiten blanken Überlebenskampfes. Vor allem, wenn sich deren Auswirkungen nicht unmittelbar in Form von Erstversorgung oder Geld zeigen.

So werden die Bemühungen, das Regime loszuwerden, weitergehen, jedoch mit unterschiedlichen Ambitionen auf Seiten der Aufständischen. Die Frage ist: wird es ein säkular orientiertes, tolerantes Syrien nach Assad sein? Oder wird es ein Aufguß der Despotie, in neuem Gewand? Ist es realistisch, das ausgerufene Utopia umzusetzen oder werden Kompromisse die künftigen Entwicklungen hin zu Frieden und Stabilität beherrschen?

Während derartige Überlegungen angestellt werden, sitzen die Machthaber in Damaskus, möglicherweise in Tartous, tief eingegraben in die von ihnen gehaltenen Gebiete, in einer obszönen Leichtigkeit des Seins entspannend. Genau wissend, dass der Stillstand an den Frontlinien und an den politischen Verhandlungstischen sich für anstatt gegen sie auswirkt. Leider.

Wednesday, February 6, 2013

From Fixers And Freelancers

It's an open secret. A business branch flourishing across the border lines. You want to enter Syria? No problem, if you are escorted. For your own protection, of course. A driver, a translator, an armed bodyguard - the spectre is wide-ranged, a lot of people are entering the free market of trips into a war-torn country. In earlier times of the revolution bringing you inside and safe outside was reportedly unsalaried, Syrians were glad to show foreigners the reality on the ground, offering them the chance to speak with victims of the armed conflict, displaced, injured. But those times have changed with the presence of international journalists and photographers working for media agencies to cover up the drama.

It's about money in the meantime. Some hundred US$ daily rate are usual, bigger agencies are paying much more higher amounts to catch the story behind the story. The frontlines in the North, from Idlib to Aleppo, are full of professional reporters witnessing the crossfire and the shellings. Attending the katheebas, the battalions, on their way is a lucrative business, some of the freedom fighters claim to donate the money they receive to needy refugees, other ones speak of investing it 'into the revolution' what actually means they are spending it for fuel and of course weapons. You can't avoid becoming part of the ongoing game. Even if they reassure you not to use their salary to upgrade their arms. The monetarized tragedy leaves a bitter taste. A few top dogs are running the business arranging professionally all-inclusive coverage trips, the rest is desperately trying to start-up their income branch as organizers and brokers. Facebook sites in all combinations of the terms free Syria, media, journalists, office, center are springing up like mushrooms, on the streets of Kilis, Reyhanli or Antakya you only have to stroll a bit up and down until someone addresses you, starting with the usual chit-chat, asking you after a short while the magic question: you like to enter Syria?

Besides the money it's all about trust. Can you trust the person offering you a guided tour or entering the country illegally at night? Don't forget, in the most cases it's simply an intermediator you're talking with. Getting in business with him and landing after all in the back of a car full of suspicious dudes causing indisposition might be too late to change your plans. Syrians can be very convincing following their intentions. A hesitating 'maybe' and the guy has picked already his mobile out of his pocket phoning his mates to arrange everything immediately. Better to argue that you have to confer with your employers and if you could exchange your phone numbers so you might call him back. Get yourself a Turkish prepaid cell phone, it's comparatively cheap, almost all exiled Syrians are having one. Even if the broker assures you that money isn't the problem because it's all about the truth to cover, latest during your back trip it might become a problem. Generally it's recommended to carry minimum 500 US$ with you during your stay inside, just in case, and the case might become real, for sure. Drivers might vanish, cars might get broken, a mortar or a bullet might hit you. See it as your personal insurance against the unforeseen, the only true companion you have during your voyage. If you're not covering professionally the armed insurgence, if you simply want to accompany the rebel fighters, taking yourself up a gun, a rifle, chances are high to enter the war zone for free.

A lot of stories are circulating around about battle volunteers joining the katheebas, fighting with them, taking the lives of regime soldiers and shabeeha. Honorable engagement or doubtful heroism? Depends from which side you see it. Some of the rebels are glad about every helping hand, even if blood sticks on it. Desperate situations create desperate measures. Philanthropic idealists will sooner or later crush in that atmosphere if they don't get in touch with like-minded circles.

Disillusion is one of your entry tickets here. Regarded from your cosy couch thousands of miles away in a safe haven it looks brave, selfless, courageous. But the reality here will throw you on the ground like the hands of a shabeeh after your capture. There's a new term describing death and destruction: profitable. Accept it and the world keeps turning. The value of human life is fixed in monetarian terms; a smiling kid in between refugee camp tents, a crying mother mourning over the loss of her beloved son, a resignating patient waiting in front of a hospital for medical care - all those images are consisting of material value, to raise awareness among the interested readers as also among the people willing to donate.

Curiosity doesn't kill the cat in that case, it kills the expectations of the victims, the urged civilians. If they recognize you as a journo their minds are getting darker, they feel that you are only hunting a meanwhile common story of human tragedy, simulating solicitousness while you are in thoughts already back in the hotel lobby checking your mails, preparing yourself for your next mission at another war-torn place, chatting with your colleagues. That's the impression the Syrian civilians have. Therefore they are either closed and reserved or telling you each bullshit running through their puzzled, traumatized minds. They are the real betrayed ones in the fight for freedom Syria is in.

Many are mentioning the term 'the hi-jacked revolution' referring it to all different parties, from foreign fighters to religious radicals, sometimes both of them are in one. But the system of professionalizing war coverage is in the same way responsible for this disillusional stance. And the fixers are, involuntarily or not, a central part of the business taking away the remains of dignity in the eyes of the war victims. Dignity was and is together with freedom one of the main demands the revolution started with by the way. Describing exactly the paradox: to gain freedom against a professionally armed counterpart you have to get weapons, and if your supporters aren't willing to deliver them to you, mainly fearing they could end up in 'wrong hands', you have to become creative organizing money to buy adequate arms. Even by sacrificing the dignity. Only in moments of dreamy glorification the smart dude is the one acting selfless for the justified cause. In the actual reality it is still the guy with the fat wallet.

But there is another side of the revolution all around, a parallel world existing between, trying to maintain humanness. Activists engaging themselves to support the people's movement, to sustain non-violent actions, to work as medical staff in the refugee camps, to start-up projects together with their Syrian friends. From all different countries they arrive, carrying the initial spark of the Arab Spring in their hearts, the postulated demand of prevailing over tyranny and injustice. Dolphins in a shark bassin. Generally tolerated but not taken serious by the main players on the field, verbally attacked by different factions, mainly the religious fundamentalists not trusting 'those secular free spirits' fighting each level of totalitarianism, even the one the extremists are standing for. It's not easy to hold up some higher goals in times of struggling for pure survival. Especially if their desired impact isn't commencing immediately in form of first aid or fast money.

So this part of the strain will continue together with other different ambitions to take power after finishing the regime. The question is: will it be a secular, tolerant Syria after that? Or will it become another despotism in new, shiny clothes? Are there chances to realize the proclaimed utopia or are the compromises to grant peaceful stability getting the upper hand?

While such considerations are made the regimers are sitting in Damascus, probably in Tartous, deeply entrenched in the areas they still control, relaxing in an obscene lightness of being. Knowing the stalemate, physically as politically, plays for instead of against them. Sadly.

Aleppo Tagsüber - Daylight Aleppo (D/E)

Ein wolkenverhangener grauer Samstagmittag, der die Stadt in trübe Bleischwere taucht. Die Einwohner hingegen sind froh, das Wetter bedeutet, dass die MiGs heute wohl nicht über die Viertel donnern. Den Piloten haftet der Ruf an, Schönwetterflieger zu sein.

Wir laufen eine halbwegs belebte Strasse entlang, zumindest das, was man von der groben Form als Strasse definieren würde. Asphaltierte Mosaikstücke zwischen Schlaglöchern, Baugräben, Kratern, Trümmerhaufen, ausgebrannten oder zerschossenen Buswracks, Müllbergen. Autos kurven halbwegs souverän um die Hindernisse, man muß als Fußgänger aufpassen, bei einem Ausweichmanöver nicht auf der Motorhaube zu landen.

Ich versuche, mit meinem Begleiter Schritt zu halten. Wir unterhalten uns über das Dilemma der Poesie. Er, der auch Verse verfasst, ist es aufgrund seiner arabischen Muttersprache gewohnt, jenen metaphorisch-symbolischen Stil zu pflegen, der die Dichtkunst des Orients berühmt gemacht hat. Jene feinen Umschreibungen, die den Geist anfachen, die ein Liebeslied subtil in eine systemkritische Hymne verwandeln können. Doch die Botschaften der Zeilen werden in der westlichen Welt und ihren Satelliten kaum bis gar nicht vernommen, dort ist man eine direkte, klare, sehr harte Sprache mittlerweile gewöhnt, die nicht ohne Kraftausdruck auskommt. Es waren schon immer die leisen Töne, die im Konzert der Marktschreier untergegangen sind, geht es mir durch den Kopf.

Auf der linken Seite erblicke ich die Lücke in der Friedhofsmauer, eine Mörsergranate oder ein Panzergeschoss. Nicht einmal den Toten lässt man ihre letzte Ruhe im Kampf um Territorialgewinn. Verhältnismässig wenig Verkehr auf der Zubringerstrasse, die wir entlang wandern. Leben, so man denn davon sprechen kann, findet in den kleinen und kleineren Strassen statt, hier hingegen rauschen ab und an Fahrzeuge an einem vorbei, wir sind ungestört und immer noch bei der Poetik. Die Zerstörungen halten sich insgesamt in Grenzen, viele Häuser sind zwar verlassen, haben aber bis auf ein paar Ausnahmen nur leichte Schäden zu verzeichnen. Ein Glücksfall geradezu in einem Land, in dessen Städten ganze Viertel und Vororte dem Erdboden gleichgemacht werden.

Wir biegen in eine der kleineren belebten Strassen ab, die Farben des freien Syriens sind überall auf Sockeln, Mauern, Häuserwänden zu sehen. Mit Planen bedeckte Holzverschläge wecken Erinnerungen an Marktstände, bieten das Nötigste feil, die Preise haben sich teilweise verzehnfacht, Folge der westlichen Sanktionspolitik. Anstatt Assad den Geldhahn abzudrehen haben die Sanktionierer die Bevölkerung in dramatische finanzielle Not gebracht - da das Regime die Verknappung der Mittel eins zu eins an das Volk per Turboinflation weiterreicht. Recht so, denken sich die Machthaber in Damaskus, Hauptsache, unser Tafelsilber bleibt davon verschont. Kleine einfache Rollwägen, dekoriert mit den Kartonagendeckeln von Zigarettenstangen. Fast alle Geschäfte sind geschlossen, Rolladen runter gelassen, Schutt türmt sich vor dem einen oder anderen Laden auf. Das allgegenwärtige Hupen wird lauter. Ein Taxi fährt dicht an uns vorbei, kurz erhasche ich den Blick einer Insassin, so wie viele mich hier ansehen, ich komme nicht von hier, was man problemlos erkennen kann. Ein kleiner Junge strahlt mich vor einem der Stände an, deutet auf meine Kufiya, ich lächle ihn an, er sagt: Salafi? In dem Augenblick bemerke ich, dass er nicht auf meine Kufiya, sondern auf meinen Bart gedeutet hat.



A cloud-covered grey Saturday noon dunking the city into hazy heaviness. The residents, therefore, are pleased, this weather means that the MiGs won't thunder today over the districts delivering their lethal freight. Pilots are known for flying their air raids only under blue sky.

We walk across a halfways busy road, at least that what you might call something like a road. Mosaic pieces from tarmac between potholes, trenches, mortar craters, debris arranged to heaps, shelled or burned out bus wrecks, garbage. Cars are driving more or less easy around the hurdles, as pedestrian you need a good reaction not to land on someone's engine hood.

I try to keep step with my escort. We are chatting about the dilemma of poetry. He, who also publishes poems, is due to his Arabic native language used to cultivate that symbolic-metaphorical style the Orient's poetry is famous for. Those fine paraphrases inciting the spirit, quickening the fantasy, being able to transform in a very subtle manner a love story into a system critical hymn. But the messages of the lines are not heard in the Western world and its satellites, there the people get used to a straight, clear, hard and rough language not sparing four-letter words. The low tones always go under during the carnival barkers' concert, it came to my mind.

I notice the huge gap in the cemetery wall on the other side of the street, a mortar shell or a tank missile. Not even the dead can rest in peace in the fight for territorial gainings. Proportionally low traffic on the main road we are walking alongside. Life, as you could call that, is taking place in the narrow, smaller streets, here, however, cars are passing us from time to time, we are undisturbed and still discussing the topic poetry. All in all the devastations are kept within a limit here, many houses are left, except for some destructive shellings they are only slightly damaged. Lucky chance in a country which cities are facing the complete annihilation of whole districts and neighborhoods.

We turn into one of the smaller busy roads, the colors of the free Syria are everywhere to find, on basements, corners, house walls. Wood barricades covered with canvas are reminding on booths, offering the absolutely necessary, prices generally have increased up to ten times, result of the sanctions imposed. Instead of drying out Assad's money reserves the Western sanctioners have caused a dramatical financial distress for the population - cause the regime handed over the shortage of cash resources one-to-one to the people in form of massive inflation. Just as well, the rulers in Damascus are thinking by themselves, as long as our own reserves are saved. Small, easy-constructed dollies, dercorated with cardboards of cigarette bars. Almost all shops are closed, roller blinds lowered, debris and garbage piled up in front of some entrances. The omnipresent honking comes closer to our ears. A taxi drives close to us along, for a short moment I catch the look of a passenger inside, she stares at me like all others do, I am not from here, obviously, easy to find out. A little boy standing in front of a booth is smiling at me, pointing to my keffiyeh, I am smiling back, he asks: Salafi? In that moment I recognize that he doesn't point to my keffiyeh, he is pointing to my beard.

Francesca Borri: Aleppo (4)

Der folgende Text ist eine Übersetzung aus dem Englischen. Die Autorin Francesca Borri (@francescaborri) beschreibt ihre Eindrücke, die sie in Syriens nördlicher Metropole gesammelt und mir zur Verwendung zur Verfügung gestellt hat. Ihr gilt mein Dank.

Grateful credits to Francesca for providing me her English text to translate and publish it in German. Grazie tanto.


Ausser einer nicht näher beschriebenen Brigade der Witwen, von der man sagt, sie streife rund um Kafrouna unweit von Idlib umher, ist die einzige Frau, von der wir sagen können, dass wir sie kennen, Thwaiba Kanafani. Die Ingenieurin, 41 Jahre alt, zwei Kinder, landete in Aleppo aus Toronto, Kanada, kommend; perfektes Make Up und ein Hauch von Absatz, bereit, der Freien Syrischen Armee beizutreten. Niemand schöpft Argwohn bei einer Frau, erläutert sie in Dutzenden Interviews; und daher habe ich mich auf das Ausspionieren spezialisiert - ich arbeite inkognito, verkündete sie auf Twitter. Ihr Porträt postend.

Im neuen Syrischen Nationalrat, der letzte Woche gewählt wurde, sitzen nur Männer. Doch es ist nicht wahr, dass Frauen keine Rolle spielen, antwortet Mohammed Noor, Medienbeauftragter der Freien Syrischen Armee. Auch sie seien in hochrangigen Positionen, fährt er fort. Hier zum Beispiel - und er zeigt auf eine Dame mittleren Alters, die Lumpen und einen Eimer in den Händen hält: „Sie ist die Hauptverantwortliche der Putzeinheit.“

Mona und Ghofran sind Schwestern, 23 und 19 Jahre alt. Wir sind an der Frontlinie, Maschinengewehrfeuer hämmert auf ein Heckenschützennest auf der anderen Seite der Strasse ein, Sandsäcke, Pfützen voller Blut, ein brennendes Haus, eine Granate ist gerade explodiert; und diese zwei schwarzen Burqas, die aus der staubgefärbten Umgebung herausstechen wie ein rosa Elefant. Hast du gesehen? fragt mich Alaeeddin, der Übersetzer, mit freundlicher Miene; es ist nicht wahr, dass Frauen zuhause eingesperrt werden. Es ist zum ersten Mal nach zwei Monaten, dass Mona und Ghofran draussen unterwegs sind, das Geld ist ihnen ausgegangen und sie haben einen körperbehinderten Vater. In der Zwischenzeit sind drei Stühle gebracht worden zusammen mit drei Gläsern Tee - in der Mitte der Strasse, zwischen den umherfliegenden Kugeln. „Und dann schreibt ihr, dass wir die Frauen nicht respektieren,“ beschwert sich Alaeeddin. Und überreicht mir einen Keks. Mona und Ghofran haben keine Ahnung, was in Aleppo vor sich geht, sie haben keinen Strom. Sie wollen sich quer durch die Stadt durchschlagen und das Anwesen ihres Onkels erreichen, um sich etwas Geld auszuleihen. Wir haben nichts, tut mir leid, entschuldigt sich Alaeeddin - unsere 500 US$ Tagessatz in der Tasche stecken habend. „Du brauchst kein Interview, um zu verstehen,“ erzählt mir Mona. „Bashar ist ein Killer, ja, aber sieh dich einfach nur um.“ Fürwahr, die Altstadt liegt in Trümmern, Gerippe aus verkohlten Wänden. Und in einigen Ecken Fliegenschwärme; menschliche Überreste. „Zu Beginn haben wir an Dutzenden Protesten teilgenommen. Seit die Männer den Widerstand in einen bewaffneten umgewandelt haben, sind die Frauen von der Revolution ausgeschlossen. Natürlich haben wir unsere Rolle im Krieg; die Rolle der Getöteten.“

Osman al-Haj Osman, ein Chirurg am Shifa-Hospital, der einzigen Notaufnahme derzeit in Betrieb, ist ziemlich enttäuscht. „Ärztinnen und Krankenschwestern sind verschwunden. Sie haben Furcht. Und wir sind zu Dreifachschichten gezwungen.“ Fünf Ärzte sind sie hier, allesamt Männer. Von neunzehn medizinischen Assistenten sind neun Frauen. „Als die Revolution ausgebrochen ist, habe ich gerade meinen Abschluss gemacht,“ sagt Zahra, 24 Jahre alt. „Das hier ist mein Praktikumstraining.“ Von den hunderten Mörsergranaten, die das Shifa-Hospital regelmässig getroffen haben, wurde sie drei Mal verwundet. „Jeden Morgen sage ich mir, dass ich hier bin für die Freiheit meines Volkes. Doch ich bin mir sehr wohl bewusst, dass, selbst nachdem Bashar gefallen sein wird, die Freiheit eines Tages wieder etwas sein wird, für das ich kämpfe. Ich rettete meinen Vater vor Verstümmelung, er, der immer gegen meinen Wunsch zu Studieren war. Ich habe meine Ärmel hochgerollt, um seinen Arm nicht zu infizieren. Ich habe ihn zusammengenäht, alles um uns herum wurde von Explosionen durchgeschüttelt, ein toter Körper neben uns, und mein Vater hat nur gerufen: Binde es zusammen!“

Denn die Luft in Aleppo ist angefüllt mit Schiesspulver und Testosteron. „Sie behaupten, wir seien Feiglinge, wir seien viel zu emotional,“ fügt Bahia dazu. Sie ist auch 24 Jahre alt, sie ist ebenfalls drei Mal verwundet worden. Und sie ist ebenso immer noch hier. „Ich bin mir dennoch nicht sicher, ob Coolness immer ein Zeichen von Rationalität ist. An der Frontlinie mit Flip-Flops zu stehen und zu sagen, dass Gott einen beschützt .. hört sich für mich nicht unbedingt normal an. Der einzige Weg, hier seine Angst zu überwinden, ist, nicht nachzudenken. Was ebenfalls der beste Weg ist, diesen Krieg auf ewig am Leben zu erhalten. An wahre Tapferkeit kann man sich in Aleppo nicht gewöhnen. Ängstlich sein, nachdenken.“ In Raqqa andererseits haben sich Frauen als menschliche Schutzschilde angeboten. Gegen die Rebellen allerdings. Sie flehten sie an, die Stadt zu verschonen. Doch Kommandeur Riad al-Assad zeigte sich kompromisslos, ihr müsst befreit werden, erwiderte er.

Am Eingang wird gerade ein lebloser Körper aus einem Auto geladen. So landen sie hier, Passanten, die von Heckenschützen getötet wurden. Auf der Strasse geborgen und mit einem Wagen hierhergebracht, der mit Reifenquietschen wieder wegfährt - Das Shifa-Hospital steht unter Artilleriefeuer. Manchmal trifft ein Geschoss einen der Leichname. Und der getroffene Körper pulverisiert regelrecht. „Staub zu Staub,“ sagt Bahia. „ganz Aleppo ist mittlerweile das Grab des unbekannten Zivilisten.“

Nach zwanzig Monaten und nahezu 35.000 Opfern sowie 450.000 Flüchtlingen ist der Blick auf die Landkarte Syriens deprimierend. Die Freie Syrische Armee kontrolliert den Distrikt Idlib im Norden und ein paar andere Gebiete. Teile von Aleppo, Teile von der Strasse nach Damaskus. Teilgebiete, vollgestopft mit Heckenschützen; Stunde für Stunde werden sie von den Regimebomben abrasiert. „Und auf den Ruinen Syriens werden sie die Fahne des Fundamentalismus hissen,“ klagt Aisha an. Sie ist gläubig, trägt den Niqab. „Doch mein Islam ist nicht der ihre,“ hebt sie hervor. „Wo zur Hölle ist der Fundamentalismus, von dem ihr sprecht? Wir sind alle Ärzte hier, wir sind alle gleich,“ Osman stoppt sie. Sein Vater war ein berühmte hoher Verantwortlicher des Ikhwan. Die gesamte Familie war im Exil, er wuchs in Saudi-Arabien auf, er betrat syrischen Boden zum ersten Mal in seinem Leben vor drei Monaten. Und jeden Abend geht er über Nacht nach Azaz zurück, nahe der türkischen Grenze. Eine Kleinstadt, die inzwischen unter Kontrolle der Rebellen ist, genauer gesagt, unter der Kontrolle ihres Imams. Er ist das selbsternannte geistige und politische Oberhaupt von Azaz. „Es ist an euch, sich zu beteiligen, euren Raum zu gewinnen. Es steht euch frei, alles zu tun. Selbst Operationen durchzuführen.“ Sogar zu herrschen, fragt Aisha nach. „Sogar zu herrschen.“ Und sogar zu kämpfen? „Sogar zu kämpfen, sicher.“ - und alle rundherum beginnen zu lachen.

Ein kreischendes Geräusch. Ein Auto spuckt einen schwarzen Sack auf den Asphalt und verschwindet mit quietschenden Reifen. Das Weisse der Augen inmitten einer Burqa, die Pupillen nach hinten gedreht. Es ist Monas Körper.

Tuesday, February 5, 2013

Nacht In Aleppo - Night In Aleppo (D/E)


Ihr werdet euch als erstes fragen, was ich gesehen habe. Es liegt mittlerweile in eurer Natur, alles primär nach dem Gesehenen zu beurteilen. Ihr lebt zusammen mit mir in einer Welt, in der zu jeder Zeit, überall die Kamera griffbereit, aufnahmebereit zur persönlichen Verfügung steht. Ihr habt die unzähligen hochgeladenen Bilder und Videos, auf die ihr zurückgreifen könnt, ein Archiv an Dokumenten, die einen ein ganzes Leben mit der Auswertung beschäftigen würden und doch nicht in der Lage wären, ein Gesamtbild des bewaffneten Konflikts, des Krieges zu ergeben.

Dunkelheit. Die meiste Zeit der Nacht herrschte Dunkelheit, wenn der Strom wieder einmal abgeschaltet wurde. Es gab keinen Rhythmus, in dem die Elektrizitätsversorgung gekappt wurde, blanke Willkür, wie man sie auch in anderen Bereichen vom Regime kennt. Auf einmal war es einfach nur dunkel, die Augen brauchten, bis sie sich an die spärlichen Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, Konturen sichtbar wurden. Kerzen wurden angezündet, eine Taschenlampe kreuzte einen LED-Strahler. Wenn man sich in einer fremden Wohnung befindet, wird in dieser Situation selbst der Gang zum Bad eine Grenzerfahrung. Dem Wohnraum, der noch einigermassen Wärme bot, folgte ein eiskalter, stockdunkler Gang. Irgendwo rechts um die Ecke. Einem Einbrecher gleich lässt man den Lichtkegel umhergleiten, bis man sein Ziel sicher erreicht hat. Begleitet wird man auf seinem Weg von den dumpfen Einschlägen der Artilleriegranaten, einem Geräusch, das man nur schwer beschreiben kann und das sich vom ersten Hören an in das akkustische Gedächtnis nahezu einbrennt. Ein Einschlag, ein zweiter, zumindest weiter von uns entfernt. Solange das Gebäude, in dem man sich aufhält, nicht zu zittern beginnt, ist alles gut.

Dunkelheit, die mehr verrät als erwartet. Während der Strom läuft, sitzen alle schweigend vor ihren Rechnern, checken ihre Mails und Messages. Solange der Strom läuft, ist man online, vernetzt mit allen anderen, informiert sich, informiert die anderen, lädt Bilder und soweit es geht Videos hoch. Für klassische soziale Interaktionen wie etwa eine Konversation ist währenddessen keine Zeit. Erst, nachdem der Wohnraum wieder in jene Dunkelheit per Stromsperre verwandelt wurde, beginnt man sich zu unterhalten. Hauptsache nicht soweit zur Ruhe kommen, dass der innere Reflektionsprozess beginnt. Man sieht es ihren Augen, ihren Mienen an. Der bewaffnete Konflikt, der Krieg, hat ihnen Stärke geraubt. Er hat sie vor die einfache wie auch grausame Wahl gestellt: bleiben und zur Waffe greifen oder die Stadt, das Land zu verlassen. Sie entschieden sich für ersteres, ein paar von ihnen haben ihren Verletzungen zufolge bereits einen hohen Preis dafür zahlen müssen. Sie stehen zwischen allen Fronten. Das Regime verfolgt sie als fremdgesteuerte Terroristen. Die konservativen Traditionalisten sehen in ihnen aufrührerische Idealisten. Und für Extremisten unter dem Deckmantel des Islam sind sie auf keinen Fall erwünschte Personen in einem künftigen Kalifat. Und doch geben sie nicht auf, für ein Syrien nach Bashar zu kämpfen, egal, wie es aussehen mag, darüber kann man sich noch genug streiten, nachdem das Hauptziel einmal erreicht ist.

Dunkelheit. Jener ambivalent wirkende Zustand aus Geborgenheit und Bedrohung, den du auf einem Spaziergang durch das nächtliche nördliche Aleppo tief in dir empfindest. Keine Strassenlampen, die leuchten und dir die Orientierung erleichtern. Keine Lichterzeilen an den Häuserfronten, die dir ein Gefühl für Raum und Tiefe vermitteln würden. Keine grell beleuchteten Geschäfte entlang den Strassen. Vereinzelt sieht man Gaslampen glühen, nicht mal eine Handvoll erhellter Fenster, am Horizont brennt ein Haufen Müll, um den sich bewaffnete Nachtwachen in Zivilkleidung scharen. Während wir draussen unterwegs sind, schlagen sehr entfernt vereinzelte Granaten ein. Wir haben Glück in dieser Nacht, es bleibt bis zum Morgen verhältnismässig ruhig. Und doch bleiben da die haftenden Erinnerungen an jene dumpfen Schläge einschlagender Granaten inmitten der Dunkelheit ..



First you might ask yourselves what I had seen. It's in the meantime part of your nature to assess everything primarily after seeing the images. Together with me you live in a world where at every time the camera is within reach, ready to record, simply personally easy available. You have all the countless videos and images uploaded you might revert to just in case, an archive of documents it takes a whole life to examine each one of it but nevertheless being not able to uncover a complete picture of the armed conflict, the war.

Darkness. Most time of the night darkness ruled when the electricity power was cut anew. There was no rhythm in those power cuts, pure randomness like many of the occurences related to the regime.From one moment to another it became completely dark, the eyes needed to get accustomed to the scanty light conditions, silhouettes became visible. Candles got lighted, a pocket lamp crossed a LED pen. If you stay at an unknown appartment in this situation even the walk to the bath room mutates to a challenge. After the living room which stores the remnants of the heating warmth an ice-cold pitch-black corridor expects you. Somewhere right at the corner. Like a burglar you wander with the light cone from corner to corner, up, right, down, left, until you reach the bath, the kitchen, one of the rest rooms, whatever. Accompanied by close impacts of artillery grenades shelling randomly around, a sound not easy to describe but branding itself into your accoustic memory. One impact, another one, at least far from our place. As long as the building is not shivering, everything is fine.

Darkness revealing more than expected. During the periods the electricity is on everybody is sitting in silence in front of her or his laptop checking mails and messages. As long as the power runs you are online, connected with the world, informing yourself, keeping the others updated, uploading images and as far as possible video footages. There is no time for classical social interactions like a conversation. First after the darkness returns in form of an abrupt power cut the people begin to talk to each other. Essential for them not to get in the mood the inner process of reflection normally starts. You can see it in their eyes, in their looks. The armed conflict, the war has taken their original strength. It has confronted them with a choice to make as simple as cruel: to stay and to become armed or to leave the city, the country. They decided for the first one and some of them have paid a high price for that due to their recent injuries. They are standing in-between all fronts. The regime hunts them as foreign manipulated terrorists. The conservative traditionalists see in them idealistic insurgents. And in the eyes of extremists acting in the name of Islam they are personae non gratae in a future caliphate. But they don't surrender, they refuse to give up to fight for a Syria after Bashar, doesn't matter how it might look, there is plenty time to discuss that after the main goal is finished.

Darkness. That ambivalent state of security and threat you are feeling deep inside during a nocturnal walk through Northern Aleppo. No street lamps illuminated assisting your orientation. No row of lights across the buildings' façades brokering you a feeling for space and depth. No glaring stores along the streets. Gas lamps are glowing sporadically, not even a handful of enlightened windows, on the horizon a garbage heap is burning, surrounded by armed night guards in civilian clothing. While we are walking outside around, some shellings can be heard almost far from us. We got luck this night, up to the morning hours it stays relatively calm. However, the adhesive mementos stay, those close impacts inmidst the darkness ..

Francesca Borri: Aleppo (3)

Der folgende Text ist eine Übersetzung aus dem Englischen. Die Autorin Francesca Borri (@francescaborri) beschreibt ihre Eindrücke, die sie in Syriens nördlicher Metropole gesammelt und mir zur Verwendung zur Verfügung gestellt hat. Ihr gilt mein Dank.

Grateful credits to Francesca for providing me her English text to translate and publish it in German. Grazie tanto.

Glücklicherweise ist Abdul Khader al-Saleh ein vielbeschäftigter Mann und um Journalisten zu treffen, hat er genau zehn Minuten. Er ist der Rebellenkommandeur im Distrikt Aleppo, und um Assad zu zeigen, dass er keine Angst hat, arrangiert er Interviews an der Frontlinie, lediglich im T-Shirt bei einem Glas Tee. Ich würde sagen, die Situation ist ausgezeichnet, beginnt er. Ein Kanonenschuss schlägt in der Nähe ein. Noch Zwei Monate, versichert er uns, und Aleppo wird frei sein. Noch ein Kanonenschuss. Eine Mörsergranate. Ein Gebäude am Ende der Strasse, das bereits zum Teil in sich zusammen gefallen ist, kommt vollends zum Einsturz. „Vielleicht auch drei.“ Der Staub bedeckt uns alle. „Möchten Sie Kekse?“

Es ist mittlerweile zwanzig Tage her, dass seine Männer die finale Offensive gestartet haben, um Aleppo zu gewinnen, nach der finalen Offensive im August, und der einzige Unterschied ist, dass die Frontlinien heute regelrechte Frontareale sind, Kämpfe brechen überall aus. Die Stadt, oder besser gesagt das, was von ihr übrig ist, ist ein Netz von Heckenschützen, das unter Artilleriedauerfeuer liegt. Bis zum Vorabend hatten die Rebellen behauptet, keine Munition mehr zu haben. Es hat daher den Anschein, dass sie sich entschlossen haben, alles zu riskieren und anzugreifen. Auf eine Massendesertation hoffend, die Gerüchten zufolge mit einigen Regimeoffizieren abgesprochen war. Wie auch immer, seit zwanzig Tagen bewegt sich keiner auch nur ein Stück vorwärts. Es ist nichts anderes als ein neues Gleichgewicht der Kräfte, auf einem höheren Level der Gewalt. „Doch bitte schreib nicht, dass keiner derzeit vorankommt,“ ermahnt mich ein Doktor am Shifa-Hospital, blutigüberströmte Bruckstücke in den Händen haltend. „Die Todesrate steigt weiter an.“ Unklugerweise biete ich mich an, die Bruchstücke wegzuwerfen. Es sind Stücke eines Schädels.

Das Fragment der Frontlinie, in das ich eingebettet bin, ist in der Altstadt, es ist eine Kreuzung, die von drei Übersetzern, fünf Fotografen, zwei Journalisten, einer Katze und vier Rebellen gehalten wird. Hinter der Ecke wartet ein Regimescharfschütze. Die vier Rebellen sitzen in etwas, das früher mal ein kleineres Geschäft gewesen sein muß, seit einer Stunde in eine Diskussion vertieft, wie man strategisch am besten Damaskus einnehmen kann. In der Zwischenzeit blickt eine Frau vorsichtig um sich, sie muß die andere Seite erreichen. Doch niemand kümmert sich um sie, und nach einer Weile resigniert sie und überquert die Kreuzung alleine - einen Vers aus dem Koran flüsternd. Selbst auf Wikipedia wird es mittlerweile empfohlen, man nennt es ,Feuer bedecken‘. Zwei Dollar pro Kugel, bissig blickt Fahdi zu mir rüber. „Bist du irre?“ Er wendet sich wieder der Erstürmung von Damaskus zu. Am Nachmittag springt Verstärkung in Person von Ayman Haj Jaeed, achtzehn Jahre alt, aus einem Jeep. Es ist sein zweiter Tag an der Frontlinie. Schreib auf, ruft er mir zu: Bashars Ende wird kommen. Und er rennt quer über die Strasse mit seiner Kalashnikov, so schnell wie möglich um sich schiessend. Schreib, schreib auf, ruft er mir von der anderen Seite aus zu, noch zwei Monate und Aleppo wird frei sein. Nur, er hat die gesamte Zeit in die linke Richtung gefeuert. Und der gegnerische Scharfschütze lag eigentlich auf der rechten Seite in Stellung.

Sie alle haben ungefähr dieselbe Hintergrundgeschichte, die Rebellen. Sie sind Schreiner, Ingenieure, Ladenbesitzer, Studenten, Protest für Protest, friedlich, bis ein Vater, ein Bruder getötet wurde, und sie schlossen sich der Freien Syrischen Armee an. Bezeichnet es nicht als Bürgerkrieg, wiederholen sie sich, wir sind nicht Syrer gegen Syrer, wir sind Syrer gegen Bashar. Und dann fragen sie dich: aber warum sieht die Welt bloss zu? Von Qatar und Saudi-Arabien erhalten sie Geld, jedoch keine Waffen. Das Veto dagegen kommt aus den Vereinigten Staaten, sie trauen jenen Rebellen nicht, denen es an Koordination und Ausrichtung mangelt, militärisch wie auch politisch. Denen es so gesehen an allem mangelt. Ihr Medienbeauftragter hier, Mohammed Noor, kann nicht mal grob schätzen, wie viele sie sind - und auf der anderen Seite kommuniziert General Riad al-Assad, der erst vor ein paar Tagen von der Türkei nach Syrien zurückgekehrt ist, mit seinen Feldkommandeuren via Skype.

Doch vor allem hat die Freie Syrische Armee keine breite Unterstützung, weil zwischen 800 und 2.000 Kämpfer, gute fünf Prozent der Gesamtstärke, Einschätzungen des Swedish Institute for International Affairs zufolge mit dem islamischen Fundamentalismus vernetzt sind. Und in der Tat begann der Kampf hier, begann mit zwei Autobomben, am zehnten Februar, eine al-Qaeda-Gruppe übernahm die Verantwortung dafür. Und die offen geforderte Errichtung eines islamischen Staates ist das Ziel einer der aktivsten Brigaden von Aleppo, der Ahrar al-Sham, den Freien der Levante. Es ist auch eine Brigade, die man unschwer erkennt; um ihre Stirn windet sich ein schwarzes Band. „Es gibt keinen Gott ausser Gott und Mohammed ist sein Prophet.“ Rund um Soukkari, des Viertels, das sie kontrollieren, kommt es öfter vor, dass man einen Regimeloyalisten durch die Strassen geschleift sieht, am Kopf gepackt, blutüberströmt, auf seinem Körper, kein Zweifel, Spuren von Schlägen und Folter. Doch Syrien wird eine Demokratie, versichert mit Mustafa. Es hagelt auf einmal Granatenfeuer, plötzlich - „Wir werden jeden respektieren.“ Ein zweiter, ein dritter Einschlag, wir sind unter Angriff. Ich schlüpfe durch die erste Tür, die ich sehe. Drinnen befinden sich nur Männer, und unter meinem Helm trage ich kein Kopftuch. „Es wird ein Syrien der Freien und der Gleichen.“ Jetzt lassen sie mich allerdings draussen.

Sie sind Libyer, Tschetschenen, Saudis, Afghanen. Jedoch sind sie nicht die einzigen Ausländer in der Freien Syrischen Armee. Da die Bevölkerung von Aleppo genauso die Rebellen betrachtet, als wenn sie Ausländer wären. Aleppo ist die ökonomische Kapitale, das Mailand Syriens. Eine reiche Stadt, bevölkert von einer gemischten Mittelschicht, Christen, Armenier, Sunnis und Shias, ohne Unterschied - eine Stadt, fokussiert auf Geld und Geschäfte. Spärlich eher die Unterstützung der Proteste, der Krieg wurde von aussen hereingetragen - als die Türkei die Grenzen öffnete und Aleppo zum ersten Anlaufziel für die Rebellen wurde. Die Freie Syrische Armee hier ist nicht die gleiche wie in Homs oder in Hama; der Typ Familienvater, der sein Heim verteidigt. Es sind Syrer vom Land, arm und traditionalistisch, die die Einwohner von Aleppo beschuldigen, gleichgültig, zynisch, opportunistisch zu sein. Und sie werden ihrerseits von den Einwohnern beschuldigt, die Stadt in der Zwischenzeit bis auf die Grundmauern zerstört zu haben, ohne einen Plan für ein künftiges Syrien - ausser dem Gesetz der Sharia, in einem Land, in dem die Sunnis lediglich 63% der Gesamtbevölkerung ausmachen. Vergangene Woche landeten drei von ihnen im Shifa-Hospital, nicht von Kugeln, sondern von Glasflaschen getroffen.

Sie hat keine Waffen zur Luftabwehr, die Freie Syrische Armee. General Riad al-Assad beschwichtigt uns jedoch auf AlJazeera, Ruhe zu bewahren; für die nächsten Tage meldet die Wettervorhersage Nebel und Regen.

Monday, February 4, 2013

Der Demonstrationszug II - The Protest II (D/E)

Drei Kinder standen auf der Ladefläche, später auf dem Dach eines Kleinlasters und wechselten sich im Duett durch, die Demonstranten mit Gesängen anzuführen. Kinder, deren Auftreten das Selbstbewusstsein ausgereifter Volljähriger ausstrahlte. Krieg verändert, macht Heranwachsende zu Erwachsenen.

Natürlich kommt das Wort Gott in ihren Rufen und Weisen oft vor. In kulturfremden Ohren klingt es jedoch nicht unbedingt nach Beistand von oben erflehen, es ruft Bilder von religiösem Fanatismus hervor, jene Bedenken, mit denen wir in der freien Welt täglich gefüttert werden. Um denen da draussen klar zu machen, was die da drinnen eigentlich wirklich wollen und bezwecken, müsste man jedes Bild, jede Aufnahme, auf der Rufe zu hören und zugleich Schriftzeichen zu sehen sind, mit flächendeckenden Untertiteln versehen, um Spekulationen über die Ausrichtung des Protests einzudämmen. Und selbst dann wird die Gilde der Skeptiker ein weiteres Haar in der Suppe entdecken.

Nicht alle wirkten froh über meine Präsenz hier. Viele misstrauische Blicke, ein paar Bemerkungen, nachdem ich vereinzelt mit Demonstranten ins Gespräch gekommen war. Aus den Augenwinkeln konnte ich immer wieder meine Begleiter im Blick behalten. Der Platz war nicht groß, er ähnelte eher einem Innenhof. Ein junger Mann sprach mich in gepflegtem Englisch an. Er wirkte auf mich wie ein Aktivist der heutigen Zeit, Äusseres und Haltung entsprechend. Als ich ihn nach seinen Kontaktdaten fragte, bat er, anonym zu bleiben, da er die Revolutionäre hier vor Ort von einem regimekontrollierten Stadtteil aus unterstütze. Es dürften wohl an die drei- bis vierhundert Demonstrationsteilnehmer gewesen sein, die sich durch die Strassenschluchten schlängelten und von denen ungefähr die Hälfte mit uns am Platz die Abschlussgesänge genoß.

Eine Woche später sollte dieser Protestzug Beschreibungen zufolge an die zweitausend Teilnehmer gehabt haben, doch die Medien waren damit beschäftigt, den deutlich kleineren al-Nusra-Protesten ihre volle Aufmerksamkeit zu schenken.



Three kids stood on the platform, later the roof of a van chanting by turns as a duett to lead the protesters. Kids whose whole appearance aired the self-awareness of mature grown-ups. War changes, makes adolescents to adults.

Of course the word God appears often in their chants and rhymes. In ears far from this culture it sounds less like pleading with the higher powers for support from above. It's evoking images of religious fanatism trying to legitimize those concerns the free world is day by day feeded with. To make those outside clear what these inside really want, really intend, every single image, every single footage where you see written Arabic or listen to it has to become translated subtitles to lessen the speculations about a protest's tendency. And even then the club of doubters will spot a new fly in the ointment.

Not everyone seemed happy about my presence here. Many gazing mistrustfully after I got into a conversation with some protesters. From the corner of the eye I could keep my companions in sight. The place wasn't huge at all, reminding more on a courtyard. A young man addressed me in advanced English. He appeared to me like a typical nowadays activist due to stance and outfit. When I asked him for exchanging contact data he asked me to stay anonymous because he mainly supports the revolutionaries from a regime controlled district. Might have been three to four hundred protest participants curling through the narrow street canyons. Pretty half of them enjoyed together with us the final chants.

One week later the same protest in Bustan al-Qasr consisted reportedly of estimated two thousand participants. Unfortunately media were at the same time busy to give their best attention to the smaller al-Nusra led rallies.

Francesca Borri: Aleppo (2)

Der folgende Text ist eine Übersetzung aus dem Englischen. Die Autorin Francesca Borri (@francescaborri) beschreibt ihre Eindrücke, die sie in Syriens nördlicher Metropole gesammelt und mir zur Verwendung zur Verfügung gestellt hat. Ihr gilt mein Dank.

Grateful credits to Francesca for providing me her English text to translate and publish it in German. Grazie tanto.
 
Eine Hand wirft mich zu Boden und die Kugel schrammt drei Zentimeter oberhalb die Wand entlang. Ich habe mich gefragt, wo sie alle geblieben sind, die Einwohner von Aleppo. Es gibt mehr als zwei Millionen von ihnen, und Schätzungen zufolge sind zwei Drittel immer noch hier, in den Strassen voller Trümmer und Heckenschützen. Die Häuser jedoch, ausgebrannt vom Artilleriefeuer, sind leer, eine Lampe schwingt im Wind in einem der zerschossenen Gebäude, ein Vorhang weht, Überreste einer vergangenen Normalität. Selbst eine auf einem Stuhl zusammengerollte tote Katze sieht aus, als ob sie schläft.
 
Ich finde mich selbst in einem dunklen Bau wieder, als ich aufstehe, vor mir eine Treppenflucht. Hier sind sie möglicherweise, die Einwohner von Aleppo. Dutzende Schatten huschen neugierig herum; ich bin die erste Menschenseele, auf die sie stossen, seit zwei Monaten. Ein Streichholz spendet uns Licht. Zwanzig Kinder blicken mich schweigend an, dicht zusammengedrängt, an der Wand entlang gereiht. Erstarrt. Sie sehen mich angsterfüllt an, dann begreife ich, es ist der Helm, sie denken, ich gehöre zu Assads Soldaten. Sie sind aufgereiht wie Gefangene, die auf ihre Exekution warten. Das Haus von Umm Bashar, 28 Jahre alt, wurde Anfang August getroffen. Eigentlich sollte sie Umm Mahmoud genannt werden; Bashar, ihr Erstgeborener, blieb unter den Trümmern verschüttet. Siebenunddreissig sind sie insgesamt, ausser den Kindern zwischen ein und neun Jahren leben hier fünf Männer und zwölf Frauen. Sie besitzen lediglich die Kleidung, die sie trugen, als sie fliehen mussten. Sie können es sich nicht leisten, ein anderes Haus zu mieten, auch haben sie nicht die 50 US$, um einen Fahrer anzuheuern, der sie an die türkische Grenze bringt. Deshalb sind sie hier gestrandet, ein Campingkocher in einer Ecke und kein fliessendes Wasser, kein Strom oder Telefon. Ab und an begibt sich Omar, 29 Jahre alt, Taxifahrer, nach draussen auf die Suche nach Essen. Ein Heckenschütze wartet bereits jedes Mal auf ihn auf der anderen Seite der Strasse. So wurde sein Bruder Shadi, 27 Jahre alt, Zimmermann, getötet. „Und ich werde niemals vergessen, wie ich die Lebensmittel durchwühlt habe, die Orangen, den Zucker, alles, was er gekauft hatte. Das Blut von den Kartoffeln abgewaschen und sie danach trotzdem gekocht.“
 
Ob drinnen oder draussen, das macht mittlerweile keinen Unterschied mehr aus in Aleppo. Die ganze Stadt wird von Luftschlägen und Granaten zum Erzittern gebracht, alle paar Minuten ein Treffer. Und tausende Menschen suchen im Untergrund Schutz. „Brot wird auf dem Friedhof verteilt,“ sagt Omar. „Nur hier, unter den Toten, kannst du einigermassen sicher sein, nicht zum Angriffsziel zu werden.“ Doch in Wirklichkeit gibt es keinen adäquaten Schutz; seit Assad der Luftwaffe grünes Licht gegeben hat, gerät das Überleben zu einer Zufallsangelegenheit. „Grössere Gebäude wie die hier in den Vorstädten schützen einen vor Granatenfeuer. Man hält sich im ersten oder zweiten Stock auf; im Falle, die Etagen darüber werden beschossen. Doch wenn ein Kampfjet einen Treffer landet, wird man unter Tonnen von Trümmern begraben. Auf der anderen Seite wird man in einem Flachbau“ - die typischen syrischen Häuser, wunderschön, mit einem Innenhof in der Mitte, all den Zitrusfrüchten, dem rankenden Jasmin - „von weniger Schutt nach einem Luftschlag begraben, um freigeschaufelt zu werden. Allerdings ist man eher Granatenfeuer ausgesetzt.“
 
In Wirklichkeit ist die einzig sichere Wahl, Aleppo zu verlassen.
 
Wir müssen erneut aufbrechen. Einen Block entfernt von uns feuert ein Maschinengewehr zur Verteidigung gegen die Luftwaffe drei Schüsse ab. Und es dauert nur einen Moment, die Zeit, sich in die Augen zu blicken, als Gejagte, bis ein Assad-Jet über unsere Köpfe heult. Er verschwindet, er kommt wieder zurück, er gleitet, gewinnt an Höhe; zwanzig Kinder schreien aus purer Verzweiflung. Dies sind die angespanntesten Minuten. Da dein Verstand hellwach, auf der Höhe ist; und während der Pilot sein Ziel auswählt, während du selber bereits jenes Ziel geworden bist, kannst du dich lediglich selbst umklammern, die Schultern an einer feuchten Wand angelehnt, und den Boden anstarren, in Gedanken mit allem, was du in deinem Leben nicht ausgesprochen hast, den Zeiten, in denen du nicht fähig warst zu lieben, den Zeiten, in denen du nicht fähig warst, etwas zu riskieren - während rund um dich herum die Bomben unaufhörlich detonieren.
 
Aisha, neun Jahre alt, überreicht mir eine Visitenkarte. Sie stammt aus dem Trauungssaal oberhalb von uns, der Halle, von welcher aus man zu den Treppen gelangt. Tariq al-Bab, sagt sie, wir sind in Tariq al-Bab. „Schreib, dass sie uns abholen kommen sollen. Schreib keine unnötigen Sachen auf.“ Dann bemerkt sie mein Mobiltelefon. Sie fragt: „Hast du die Nummer der UN?“
 
Und obwohl sie von Assad sturmreif geschossen werden, traut jener Untergrund Aleppos der Freien Syrischen Armee nicht über den Weg. Sie haben einen Krieg gewagt, für den sie nicht kampfbereit genug waren, sagt Afraa, 17 Jahre alt. Vier Explosionen begleiten ihre Bemerkung. „Sie stehen da mit Flip-Flops und zehn Kugeln. Und währenddessen bieten sie Assad den Anlass, uns alle zu treffen. Wenn man sich nach den Rebellen erkundigt, ein und dieselbe Antwort unter den Bewohnern von Aleppo; wir verstehen ihre Strategie nicht, wer sie wirklich sind. Und natürlich, welche Art Syrien sie denn nun wollen. Afraa nahm an Dutzenden Demonstrationen teil. „Doch jetzt ist alles vorbei. Wir haben keinen Platz mehr, wir haben keine Stimme.“ Fünf Explosionen während ihrer Eingangsworte. „Sie besetzen unsere Häuser, sie feuern aus unseren Fenstern heraus. Und es interessiert sie nicht, dass wir nicht wissen, wo wir hin sollen. In zwei Monaten ist hier keiner erschienen.“ Weder eine NGO, weder das Rote Kreuz, weder Ärzte Ohne Grenzen, keiner. Eine weitere Granate schlägt ein, Glas zerbricht. „Darüber hinaus sind sie zutiefst religiös und konservativ. Und sie sind allesamt Sunnis.“ Miriam ist Afraa‘s beste Freundin, auch sie trägt eine schwarze Burqa. Doch sie ist Christin. „Meine kugelsicheres Outfit.“
 
Ich blicke immer wieder auf meine Uhr. Ich bin die Einzige, es ist eine Angewohnheit aus meinem alten Leben. Weil der einzige Unterschied zwischen Tag und Nacht derjenige ist, dass Kalashnikovs ohne Licht nutzlos sind. Während der Nacht gibt es nichts ausser dem Metronom der Einschläge, die Rebellen antworten nicht darauf. Während der Nacht wird der Krieg in Aleppo zum Mörder. Es gibt keine Kämpfe, nur den Tod. Willkürlich. Bombe für Bombe schlägt ein, hier, rundherum. Nichts anderes.

Der Demonstrationszug I - The Protest I (D/E)

Als der Wagen an einer Strassenbiegung zum Stehen gekommen ist und wir die Türen öffneten, konnten wir bereits die Gesänge durch die Häuserfronten hallend hören. Magisch zog es mich und die anderen Richtung Demonstrationszug, Teil werden wollend. Teil einer jener Proteste, die seit fast zwei Jahren ein Regime in Bedrängnis und die Welt in andauernden Erklärungsnotstand bringen. Ich schaffte es, nach einer Weile in die Mitte des Zuges zu gelangen. Inmitten der Gesänge, der Schlachtrufe, die um mich herum angestimmt wurden, konnte ich die Mischung aus Angespanntheit und Entschlossenheit meines mitmarschierenden Umfeldes zum Greifen spüren.

Wochen zuvor wurden die Demonstranten hier in Bustan al-Qasr von einer Granate zerfetzt, Berichten zufolge möglich, da einer der anwesenden Journalisten Funksignale durch seine Live-Berichterstattung erzeugte. Vor und hinter dem Demonstrationszug fuhren jeweils ein Pick-Up mit bewaffneten Insassen an Bord. Sowohl mit Gewehren als auch mit Kameras. Schnell liefen wir durch die Schluchten zwischen vielstöckigen Gebäudekomplexen, deren Fenster und Türen bis auf wenige Ausnahmen verhüllt, der Einsicht entzogen sind. Die Laufgeschwindigkeit machte es bisweilen unmöglich, auf Details rundherum zu achten, wie auf einer Welle getragen spülte es uns um die Blöcke. Auf einmal entdeckte ich das Kartonbanner vor mir.

Diejenigen, die erwarten, die Segnungen der Freiheit einzuheimsen, müssen die Ermüdungserscheinungen, diese zu unterstützen, wie Männer durchleben.



When the van stopped at the street corner and we opened the doors we could listen already the chants echoing through the house blocks. Magically it attracted me and the other ones direction protesters, becoming part of them. Part of one of those protests being able since almost two years to bring a regime into difficulties and the rest of the world in permanent lack of explanations. After a while I made it to get into the middle of the road trail we marched, surrounded by chanting Syrians, feeling both their strain and their determination.

Weeks ago the protesters here in Bustan al-Qasr were shelled, many of them killed. Reportedly caused by the radio signals a journalist created while reporting live from there. One pick-up van drove in front of the protest march, another one at the end of it. In both sat armed passengers. Armed with guns and cameras. Fast we moved through the canyons of the multistory buildings, doors and windows nearly completely closed, covered. The walk speed made it almost impossible to figure out all the details around me, a bit like riding on a tide it flushed us all through the narrow roads. Suddenly I discovered the cardboard banner in front of me.

Those who expect to reap the blessings of freedom must, like men, undergo the fatigue of supporting it.

Francesca Borri: Aleppo (1)

Der folgende Text ist eine Übersetzung aus dem Englischen. Die Autorin Francesca Borri (@francescaborri) beschreibt ihre Eindrücke, die sie in Syriens nördlicher Metropole gesammelt und mir zur Verwendung zur Verfügung gestellt hat. Ihr gilt mein Dank.

Grateful credits to Francesca for providing me her English text to translate and publish it in German. Grazie tanto.

Der gefährlichste Ort hier ist das Hospital. Das ist das erste, das man einem sagt, wenn man ankommt; wer es ruhiger haben will, sollte an der Frontlinie bleiben.

Vergiss alle Regeln und Gesetzmässigkeiten, du, der du das Land betrittst. Aleppo besteht aus Detonationen in diesen Tagen,aus Schutt, aus nichts anderem. Und wer es wagt, sich auf die Suche nach Brot, Wasser, einem Arzt zu begeben, auf den feuern die Scharfschützen. Assads Kampfjets fliegen tief über den Boden, sie zerschmettern einen förmlich mit todbringendem Wind. Und doch sind sie so unpräzise, dass sie niemals die Gegend um die Frontlinie bombardieren; sie könnten die Rebellen verfehlen und die eigenen Leute treffen.

Die Einheit der Freien Syrischen Armee, in die wir eingebunden sind, besteht aus dreizehn Mann, zwei von ihnen tragen Flip-Flops - und die anderen haben nicht immer ein gleiches Paar Schuhe an. Sie waren zu siebzehnt, drei von ihnen starben, als sie den Leichnam eines Vierten bergen wollten, der immer noch dort liegt, am Ende der Strasse. Sie haben ihr Quartier in einer Schule errichtet und jeder von ihnen trägt ein Gewehr, eine Kalashnikov, ein Messer. Ein Heranwachsender putzt im Büro des Hauptquartiers auf einem Teppich die Familienjuwelen, zwei RPG‘s und eine Bazooka. Ausser dem Captain, einem Offizier, der die Regimestreitkräfte vor sechs Monaten verlassen hat, sind sie allesamt siebzehn bis achtzehn Jahre alt. Alaa ist Philosophiestudent, zwischen den Schichten an der Front liest er Habermas. Deserteure erkennt man leicht, sie tragen Tarnshirts, die sie aus den Regimearmeebeständen entwendet haben, die anderen tragen das Konterfei von Messi oder Che Guevara auf ihrer Brust.

Der syrische Frühling ist zum Krieg in Syrien geworden. Und die Entwicklung dahin kann am leichtesten im Unterschied zwischen der libanesischen und der türkischen Grenze erklärt werden. Beirut ist der Untergrundhimmel der bemerkenswertesten Aktivisten, diejenigen, die alles auf die Beine gestellt haben, Protest für Protest, Treffen für Treffen - und deren Revolution nun konfisziert worden ist. Sie halfen Journalisten nicht nur über die Grenze, sondern vor allem auch, die Ansprüche und Gründe derer zu verstehen, die sich dem Regime entgegenstellen. Heutzutage ist die Grenze zum Libanon unzugänglich. Auf der anderen Seite öffnete sich die Grenze zur Türkei, die Rebellen verwalten das Grenzkontrollbüro, man betritt Syrien, indem man über eine Fußmatte mit dem Porträt Assads läuft. Wie auch immer, das neue Syrien, dessen selbsternannte Sprecher sie sind, ist Terra Incognita. Es ist schwierig, mit ihnen über Politik zu reden. Sinnlos, sich nach UN-Beobachtern, Islam, Sunnis, Alawis zu erkunden. Hier geht es darum, 500 US$ zu bezahlen; ausländische Korrespondenten sind das Geschäft des Tages - das ist die Gebühr für eine Touristentour in ein Aleppo unter Beschuss.

Theoretisch handelt es sich um vier Frontlinien. Doch in Wirklichkeit gibt es nur eine einzige Frontlinie, nämlich zwischen der Erde und dem Firmament. Und wer ausser Kugeln und Messern den Kampfjets nichts entgegenzusetzen hat, dem bleibt kein Ausweg. Ohne Intervention von aussen kann die FSA nicht die Oberhand gewinnen. Und doch schafft sie es bis heute, den Kampf nicht zu verlieren.

Es geht in diesen Tagen in Aleppo darum, die Stellungen zu verteidigen. Kein Schritt vorwärts möglich. Die Stadt ist von Scharfschützen und Blut übersät, während die Bombardierungen von oben weitergehen. Die Karte an der Wand des Büros im Hauptquartier erinnert einen an ein Zeichenlabyrinth, in dem man den richtigen Weg von A nach B finden muß, nur dass hier zwischen A und B noch dutzende Familien leben - und dies ist die Karte, die die Scharfschützen markiert. Innerhalb einer halben Stunde werden drei Leichen beim Shifa-Hospital abgeladen, eine von ihnen die eines achtjährigen Kindes. Direkt draussen der Fußabdruck eines Kampfjets, gestern am frühen Abend, zwei Meter tief. Um der Bevölkerung Mut zu machen, kurven die Rebellen auf Pick-Ups herum, die mit Doshkas dekoriert sind; es handelt sich dabei um ein MG-Placebo, dessen Effekt auf einen Kampfjet einer Erbsenpistole gleichkommt. Und um die restliche Welt zu ermutigen, ihre Unterstützung zu gewinnen, schleppen sie Journalisten an die Frontlinie, direkt zu den unsichtbaren Schützen. Zu dritt, viert verstecken sie sich an den ersten Kreuzungen, hundert Meter davor. Und dann rennen sie blindlings feuernd durch die Strassen. Hin und her. Manchmal, im Eifer des Rambo-ähnlichen Gefechts, vergessen sie, ihre Waffen nachzuladen.

Es gibt keine Regeln in Syrien. Bomben auf die Zivilbevölkerung, Moscheen, die in militärische Einrichtungen umfunktioniert wurden. Kalashnikovs in Krankenwägen, Rebellen in Regimearmeeuniformen. Regimeeinheiten ohne Uniform. Und dieses Camp sieht mehr wie eine besetzte Schule als wie ein Armeeposten aus. Die Rebellen diskutieren alle zehn Minuten. Wer kochen soll, wie man den nächsten Häuserblock einnimmt. Welche Taktik anzuwenden ist. Du hast mir meine Schuhe weggenommen, nein, du hast mir meine Decken entwendet. Und das ist nicht bloß der Mikrokosmos dessen, was sich innerhalb der verschiedenen bewaffneten Einheiten abspielt, das ist generell das, was sich innerhalb der Oppositionsbewegung wie ein roter Faden durchzieht. Es gibt hier weder einen einheitlichen Führungsstab noch eine einheitliche Strategie. Weder unter den Zivilisten noch unter den Kämpfern. Und das ist die derzeitige Stärke Assads, mächtiger als jedes Waffenarsenal; die Gespaltenheit der Bevölkerung.

In der Schule hängen inmitten der Waffen ein paar Kinder herum. Ahmed ist sechs Jahre alt. Heute werde ich dir beibringen, wie man ein wahrer Syrer wird, sagt ihm der Captain. Ein freier Syrer. Er drückt ihm sein Gewehr in die Hände und lässt ihn in die Luft feuern in dieser engen Strasse, gesäumt von achtstöckigen Gebäuden, deren Fenster bereits zuhauf zerborsten sind. Ein weiteres geht zu Bruch. Eine junge Frau rennt angsterfüllt die Treppen runter, die Kugel ist in ihrer Küche eingeschlagen. Sie greift nach meinem Stift und meinem Notizblock. Was für ein Syrien wird erwachsen aus Männern wie diesen, schreibt sie und versteckt sich unten im Haus.