Saturday, February 4, 2012

#NATOsecConfMuc - Der Eiskalte Protestmarsch

Der Karlsplatz war ausserordentlich gut gefüllt trotz Temperaturen um die -10°C. Eine bunte Truppe aus lauter Waffenlobby- und Kriegsgegnern von unpolitisch bis linksaussen machte sich auf den vorgegebenen Weg über den Hauptbahnhof und den Sendlinger-Torplatz bis zum Marienplatz. Keine einzige syrische Revolutionsfahne ausser mir weit und breit. Eine einzige iranische Flagge. Ansonsten alles geboten an kreativem Widerstand gegen Militarismus und die Sicherheitskonferenz. Die Uniformierten waren standesgemäss überrepräsentiert, doch von aufgeheizter Stimmung keine Spur. Vielleicht war‘s dafür ja wirklich zu kalt.



















Als erstes kam ich mit einer Algerierin ins Gespräch. Dabei ist mir mal wieder ins Gedächtnis gerufen worden, dass ausser den Persern auch die Algerier eine gescheiterte, im Keim erstickte Revolution hatten. Noch befand ich mich im hinteren Teil des Demonstrationszugs. Ein Waffenlobbygegner mit einem liebevoll kreierten, ganz einfachen Meinungsäusserungsgegenstand - Holzlatte, Karton, Kugelschreiberarbeit - verwickelte mich in ein semipolitisches Gespräch, während dem ich erfahren durfte, dass er ausserdem ein grosser Fussballfreund sei. Schon waren wir bei Ägypten und der Tragödie von Port Said angelangt. Auf einmal gesellte sich ein älterer Herr mit der klassischen Sowjetflagge zu uns. Schon nach kurzer Zeit merkten wir beide, dass wir nicht wirklich auf der selben ideologischen Wellenlänge schwimmen. Nichtsdestotrotz hielt sich der Disput in gepflegtem verbalem Rahmen. Er sah in mir so etwas wie einen Freiheitsutopisten, der seiner starren Abgeklärtheit die Skepsis obsiegen liess. Immerhin konnte ich ihn dazu bringen, in Assad den neuen Hitler zu sehen.














Langsam arbeitete ich mich nach vorne, an illustren Verbänden vorbei, bis ich den Show Act erreichte.



















Der Demonstrationszug hielt in der Müllerstrasse für geraume Zeit an und die Kälte kroch unbarmherzig selbst durch die unterste der drei Jacken. Trommlergruppen animierten zum Bewegen. Der vordere Demonstrationssprecher erklärte mit deutlicher Entrüstung den Halt mit dem Erscheinen rabiat gesonnener Uniformierter am Zielort. Mitdemonstranten der jüngeren Generation kamen immer wieder auf mich zu und fragten nach der Flagge, die ich trug - stimmt ja eigentlich, ich selber habe ihre Farben verinnerlicht, aber vermutlich kennen viele auch die für das Regime stehende Zwei-Stern-Variante nicht. Bemerkenswert die Offenheit der neuen Jungen (und Mädchen), befreit von jeglicher Erwartungshaltung. Kein Wunder, sie sind schliesslich unsere Zukunft. Trotz teilweise divergierender politischer Ansätze gibt es wirklich so etwas wie den gemeinsamen Wunsch nach einer waffenfreien Welt. Egal, ob das nun NATO-Bomben, Nagelbomben (gerne benutzt von syrischen Regimetruppen) oder Putins nächste geplante grosse Waffenlieferung an Assad.



















Schlussendlich gelangte ich zu unseren heimischen Occupiern, als wir die vorletzte Kehre vor unserem Ziel passierten. Wir wurden von einer Grosszahl Uniformierter, auffallend viele Frauen dabei, am Viktualienmarkt in Empfang genommen. Unzählige Kameras waren über und auf uns gerichtet. Wir können allerdings auch Aufnahmen machen.














Erfreut stellte ich fest, dass mein letzter Gesprächspartner auf den restlichen Metern zum Marienplatz über die Belgrader Schule des gewaltlosen Widerstands Bescheid wusste. Ich sparte mir die Abschlusskundgebung und wollte noch einmal zur Absperrung vor dem Bayerischen Hof. Keine Chance, irgendwie durchzukommen. Ich hätte mich wenn, dann spontan dafür entscheiden sollen, mich dem BR-Team anzuschliessen.



















Das Uniformiertenaufgebot wie jedes Jahr martialisch. Meinen eigentlichen Plan, Lawrow abzufangen und ihm meine Meinung - und die der vieler Syrer - mitzuteilen konnte ich leider nicht in die Tat umsetzen. Lediglich einmal fuhr ein schwarzer BMW mit verdunkeltem Rückraum, klassisches Transportmittel der geladenen Gäste, an mir vorbei. Doch er sass sicherlich nicht in diesem Wagen. Das konnte ich riechen. Komplizenschaft generell, in diesem Fall an systematisch geplantem Massenmord stinkt nämlich gewaltig.

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