München präsentierte sich in wolkenverhangenem Grau, als wir Richtung Fuggerstadt aufbrachen. Auf der Rückbank neben einem Stoss syrischer Unabhängigkeitsflaggen sitzend hoffte ich inbrünstig, dass es nicht zu stark regnen würde, während wir für die Freiheit demonstrieren. In der Nähe des Augsburger Hauptbahnhofs wurden wir Zeugen eines Antifa-Protests, einige hundert vorwiegend Jugendliche der linksextremen und der Punkbewegung wurden von einem Haufen Polizisten begleitet, die ihrerseits einen überdurchschnittlichen Arbeitstag hatten, da aus den einfahrenden Zügen viele Hertha-Anhänger zur nachmittäglichen Bundesligapartie strömten.
Einen knappen Kilometer vom Bahnhof entfernt lag der zugewiesene Platz, an dem die Freiheit-für-Syrien-Kundgebung stattfand; bei näherer Betrachtung sogar gut gewählt, da viele Passanten aus den Bussen und Strassen Richtung Einkaufsstrassen und wieder zurück unterwegs waren. Meine Befürchtungen bezüglich des Wetters zerstreuten sich zum Glück, es fiel kein einziger Tropfen Regen und nach einer Weile kam sogar ein Stück blauer Himmel unter der Wolkendecke hervor. Ausser unseren syrischen Revolutionsflaggen waren mehrere kurdische Nationalfahnen zu sehen. Alle Beteiligten des Protests gaben sich grosse Mühe, für etwas Aufmerksamkeit in Sachen Syrien zu sorgen, indem die mittlerweile schon klassischen Revolutionsslogans skandiert und vorbereitete Reden und Gedichte rezitiert wurden; und der bzw. die Eine oder Andere nahmen sich auch die Zeit, innezuhalten, zuzuschauen und zu -hören und sogar Fragen für den Grund unseres Zusammenkommens zu stellen.
Doch der wesentliche Effekt war meines Erachtens nach das erfolgreiche Aufeinandertreffen von in verschiedenen Städten Deutschlands lebenden Syrern. Wir vergessen leicht, dass in Hafez‘ als auch in Baschars Syrien Misstrauen unter der Zivilbevölkerung ein wesentlicher Bestandteil der Machterhaltung war und leider auch immer noch ist. Umso bemerkenswerter ist es zu sehen, wie diejenigen, die Freiheit und Würde in ihrer Heimat verlangen, in der Lage sind, auf einander zu zu gehen und nicht nur die Mauer der Angst einzureissen, sondern auch den Vorhang des Misstrauens abzuhängen, der seit beinahe fünf Jahrzehnten zwischen ihnen hing. Eine neugewonnene Einheit nimmt Gestalt an, die einer der zentralen Schlüssel ist, um das entsetzliche System von Überwachung und Gewalt, das die Assad-Dynastie errichtet hat, zu überwinden. Und selbst die Anwesenheit zweier Regimebefürworter - wie wir sie aufgrund ihres Verhaltens eingeschätzt hatten - in der unmittelbaren Nähe der Veranstaltung konnte nicht für Unbehagen sorgen.
Alles in allem war die Veranstaltung ein wichtiges Aufeinandertreffen von arabisch- wie kurdischstämmigen Syrern unterschiedlicher Herkunft wichtig und notwendig, um gemeinsam die Stimmen für die gerechte Sache zu erheben. Und darüber hinaus meine persönliche Chance, neue Bekanntschaften zu schliessen wie im Fall von Yusef, der als Flüchtling hier in Deutschland lebt, einem warmherzigen und offenem Menschen wie alle Syrer, die ich seit Beginn des Aufstands kennen und schätzen gelernt habe. Er versicherte mir, dass die hiesigen Behörden ihn gut behandeln würden und dass er keine Probleme aufgrund seines Flüchtlingsstatus habe. Ein ehrliches Statement, das für mich die erfolgreiche Veranstaltung im Namen von Freiheit und Menschenrechten abrundete.
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