Monday, July 16, 2012

Solidarität mit Syrien? Gezeigt.



Regensburg. Ostengassenfest. Noch nie vorher davon gehört. Von ersterer schon. Selbst ich als kirchenarchitektonisch verwöhneter Münchner komme nicht umher, die Vielfaltigkeit der Gotteshäuser, die sich in der von der UNESCO zur Welterbezone erklärten Altstadt geradezu drängen, beeindruckt zur Kenntnis zu nehmen.


Das Ostengassenfest lässt sich grob geschätzt mit dem Münchner Tollwood-Festival vergleichen. Grob geschätzt. Auffällig viele Aktionsstände in Solidarität mit den Verfolgten in aller Herrenländer. Iran. Syrien. Genau, das Land, in dem die Zivilbevölkerung seit einem Jahr und vier Monaten mit unvorstellbar abscheulicher Gewalt seitens des herrschenden Regimes an der Wiedererlangung von Freiheit und Würde gehindert wird.


Umso schöner, hier in Deutschland ebenjene Solidarität mit den wirklichen Opfern, den syrischen Bürgern miterleben zu dürfen, deren Leben zum Spielball des Staatsterrors unter dem Befehlskommando einer durchtriebenen Dynastie mutierten. Seit Vater Hafez vor mehr als einem halben Jahrhundert die Macht an sich riss und einen lebensverachtenden Sicherheitsapparat schuf. Sohn Bashar, der seine Inthronisation dem abrupten Ableben des einen sowie der von sämtlichen Skrupeln befreiten Impulsivität des anderen Bruders zu verdanken hat, wäre möglicherweise lieber im reichen Westen herumjettender Society-Doktor geblieben. Ich denke mal, alle, die wahrnehmen können, mit welcher Grausamkeit der Assad-Makhlouf-Clan seine Stellung zu zementieren versucht, wünschen sich heute ebenso, dass er das getan hätte. Und es werden tatsächlich immer mehr. Das Kalkül des Regimes geht nicht auf; anstatt die globale Gleichgültigkeit zu schüren, steigt die Anzahl der weltweiten Initiativen von Menschen, denen es nicht nur nicht mehr egal ist, ob auf einem anderen Flecken der Erde Mitmenschen leiden müssen, die sich eben auch aktiv einsetzen, um in ihrem Rahmen das Notwendige und darüber hinaus zu leisten vermögen. 


So auch hier in Regensburg an einem Sonntag Mitte Juli, dessen Wetter als mannigfaltig in Erinnerung bleibt. Wolkenfelder verschiedenster Formationen rauschen über den Sommerhimmel, einige tiefgrau und mitunter so groß, dass mit einem mehrminütigen kräftigen Guss die Temperaturen um ein paar ordentlich gefühlte Grad herunterkühlen. Doch überwiegend scheint die Sonne, es ist angenehm warm, hier, an der Donaulände. 


ASSAD2012 -MOST WANTED -STOP HIM NOW ist auf den postkartengrossen Stickern, die kreuz und quer verteilt kleben, zu lesen. Seit Freitag serviert die Arbeitsgruppe der evangelischen Studentengemeinde Regensburg, in der sich Deutsche und ansässige Syrer engagieren, kulinarische Spezialitäten aus der von Regimewillkür gepeinigten Region und bietet Luftballons zum Steigenlassen als Zeichen der Hoffnung und des Mitgefühls an. 


Einem verregneten Start ins Wochenende folgte am Samstag durchgehend warmes Sommerwetter, das dem Ostengassenfest einen zufriedenstellend hohen Besucherandrang bescherte. An diesem Sonntag ist die Zahl der Festbesucher vergleichsweise überschaubar, doch die rege Nachfrage nach Falafel, Bulgur & Co. verzeichnet keinen nennenswerten Schwund. 


Sehr zur Freude der deutsch-syrischen Solidargemeinschaft, deren Spendeneinnahmen der Finanzierung von dringend benötigten Medikamenten zugute kommen. Medikamente, die Schmerzen stoppen und Wunden lindern. Wunden, verursacht durch Pistolen- und Gewehrmunition, Nagelbomben, Granatsplittern, Streubombenpartikeln, chemischen Kampfstoffen und seit den letzten Massakern vermehrt durch Messerstiche. Verursacht durch die Regimemilizen. Die Wunden jedoch, die sich in den Seelen der Syrer durch die Gleichgültigkeit, die Unfähigkeit der gemeinsamen Zusammenarbeit, das taktierende Zögern sowie das berechnende Kalkül der Welt eingebrannt haben, können wir alle jederzeit versuchen zu heilen: durch aktive Anteilnahme.


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