Öffentlich gegen das allmächtig wirkende KGB-Relikt Alexander Lukashenko zu agitieren war noch nie einfach. Der autokratische Hardliner und sein ergebener Anhang herrschen über das nordosteuropäische Land mit eiserner Faust.
Eines der jüngsten Dekrete, die Lukashenko erlassen hat, ist, einheimische Journalisten und Oppositionsfiguren an der Ausreise zu hindern. Ausser dubiosen schwebenden Gerichtsverfahren wurden einige Oppositionelle des Hooliganismus bezichtigt - eine mehr als fragwürdige Anklage gegen diejenigen, die sich dem gewaltlosen Widerstand gegen das Regime widmen.
Die Ankündigung, der weissrussische Präsident würde die Freilassung zweier prominenter Oppositioneller erwägen, unter ihnen der ehemalige Präsidentschaftskandidat Andrej Sannikov, ist mit äusserster Vorsicht zu geniessen. Sannikov, der im Dezember 2010 in Minsk nach einem friedlichen Protest gegen das Regime und die vorangegangene Wahl festgenommen und im Mai 2011 zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe wegen Anstachelung öffentlicher Unruhe verurteilt wurde, leidet unverändert unter erschwerten Haftbedingungen, von körperlicher Gewalteinwirkungen durch die Gefängniswärter über Isolationshaft bis hin zur Verweigerung dringend nötiger medizinischer Behandlung.
Das Regime in Minsk ist nicht nur darauf spezialisiert, den politischen, sondern auch den persönlichen Willen seiner Kritiker mit allen Mitteln zu brechen. Im Falle Siargey Kavalenkas kommt das ganze Ausmass des des post-stalinistischen Apparates in Weissrussland zum Tragen. Kavalenka wurde zu drei Jahren verurteilt, nachdem er in seiner Heimatstadt Vitebsk demonstriert und die weissrussische weiss-rot-weisse Unabhängigkeitsflagge auf der Spitze des öffentlichen Weihnachtsbaums gehisst hatte. Seit nunmehr dreieinhalb Monaten befindet sich Kavalenka aus Protest gegen sein Urteil im Hungerstreik. Das Regime liess ihn daraufhin vor kurzem in die psychiatrische Abteilung der Vitebsker Strafkolonie verlegen. An das Bett gefesselt und zwangsernährt hat sich sein Gesundheitszustand rapide verschlechtert.
Bis heute ist es extrem schwierig bis unmöglich für die engsten Verwandten der politischen Gefangenen, sie im Gefängnis zu besuchen. Eine weitere Massnahme des Lukashenko-Regimes, den Druck auf kritische Individuen, die das Ende der autoritären Herrschaft fordern, zu erhöhen.
Und der politische beziehungsweise wirtschaftliche Druck, den die EU aufgrund dessen auf Minsk ausübt? Sämtliche Bemühungen wirken derzeit recht hilflos anbetrachts Lukashenkos starrköpfiger Haltung gegenüber dem Westen. Brüssel berief Ende Februar seine diplomatischen Vertreter zurück, nachdem Minsk die europäischen und insbesondere den polnischen Botschafter aufgefordert hatte, das Land zu verlassen. Lukashenko reagierte seinerseits ausser der Ankündigung einer geplanten Einzelfallprüfung, was die eventuelle Rückkehr der EU-Botschafter betrifft, mit hartnäckigen Angriffen auf die Union, die aus seiner Sicht erpresserische Methoden gegen Weissrussland anwendet.
So kryptisch und kafkaesk die Gesamtsituation in Weissrussland für Aussenstehende erscheinen mag, so tragisch und dramatisch gestaltet sie sich für diejenigen Weissrussen mitsamt ihren Familienangehörigen, die nach Freiheit und Demokratie in ihrem Land streben, da sie sich permanent drastischer Konsequenzen bewusst sein müssen, wenn sie die Meinungsfreiheit für sich in Anspruch nehmen.
Und es ist beschämend für jeden Europäer, der seine Heimat nicht innerhalb der EU-Grenzen definiert, mitzuerleben, wie kontinentale Landsleute für die Forderung nach den gleichen Grundrechten, die Einwohner demokratisch geprägter Regionen in Anspruch nehmen können, auf derart drastische Weise bedroht werden.
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