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"Ja bitte, kann ich Ihnen helfen?"
"Die entfesselte Horde eines Irren verschleppt und ermordet meine ganze Familie. Diese Verbrecher benutzen schwere Waffen und setzen sie selbst gegen unsere Kinder ein. Wir bitten dringend um Hilfe, diesen Kriminellen Einhalt zu gebieten, bevor es zu spät ist."
"OK .. und an wen speziell möchten Sie sich mit Ihrem Anliegen wenden?"
"An die höchste Stelle. Den obersten Repräsentanten. Es ist wirklich dringend."
"Einen Augenblick bitte .. ja, das ist möglich."
"Ich bin erleichtert, das zu hören. Wann, glauben Sie, wird er einen Blick auf meinen Fall werfen?"
"Es tut mir leid, aber ich vergaß zu erwähnen, das er nicht sehen kann."
"Oh .. das tut mir leid .. doch er wird bestimmt zuhören, was ich ihm zu erzählen habe?"
"Unglücklicherweise nicht, da er ebenfalls nicht hören kann."
"Nun .. kann er anderen sagen, was sie für meine Familie tun können?"
"Das wäre mit Sicherheit seine aufrichtige Absicht, doch er kann leider nicht sprechen."
"Wenn ich Sie recht verstanden habe: Ihr oberster Repräsentant ist derjenige, der uns helfen kann, er ist jedoch blind, taub und stumm .. gut, damit kann ich leben, solange er in der Lage ist, etwas für uns zu tun."
"Sie meinen im Sinne von Handeln? Weit gefehlt. Er ist nämlich auch gelähmt."
"Sie entschuldigen schon, wenn ich frage, aber was kann er dann überhaupt für meine Familie ausrichten?"
"Wie ich bereits sagte: alles ausser zu sehen, zu hören, zu sprechen und zu handeln. Glauben Sie mir, das ist durchaus viel. Ich sehe gerade, er ist bereit, Sie zu empfangen, die letzte Tür am Ende des Flurs bitte .."
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Noch nie zuvor in der Geschichte waren die Vereinten Nationen Zielscheibe gerechtfertigter Kritik wie heutzutage. Gerechtfertigt im Sinne einer mangelnden mittlerweile mehr als notwendigen energischen Initiative für das geradezu entwürdigend bedrohte syrische Volk. Die Welle des Arabischen Frühling erreicht den fünfzehnten Monat in Folge; zwei Länder können stolz von sich behaupten, ihre selbsternannten Monarchen losgeworden zu sein, zwei weitere Länder bezahlen die Zeche für wahrhaft faule Kompromisse hinter den Vorhängen der Macht, und die Syrer sind unverändert allein gelassen in ihrem Kampf gegen den grausamen Clan der Massenmörder. Keine Übertreibung: gegen die dunkle Dynastie wirken selbst Ed Gein und Charles Manson als Engel des menschlichen Mitgefühls.
Mithilfe des Internets und dem schnell verbreiteten Bild kann sich die Weltgemeinschaft zeitnah davon überzeugen, was in Städten wie Homs, Idlib, Daraa, Hama und mittlerweile auch Aleppo geschieht. Dank eines technologischen Werkzeugs, das richtig eingesetzt Leben retten kann. Doch anstella auf die hochgeladenen Zeugnisse der Verbrechen gegen die Menschheit angemessen zu reagieren, registrieren diejenigen, die etwas ausrichten könnten, lediglich die präsentierte Gewaltorgie und kommentieren die Tragödie ab und an mit weise klingenden Worten.
Flankiert von einer Lobby bestehend aus Bedenkenträgern und Interessensvertretern hinterlässt die Organisation, die eigentlich dafür bekannt ist, sich weltweit für die Grundrechte einzelner einzusetzen, den Eindruck eines behäbigen Clubs, der alle Zeit der Welt hat zu reflektieren und sich mögliche weitere Schritte zu überlegen. Zeit, die die syrische Zivilbevölkerung in ihrem Überlebenskampf gegen das gnaden- und gottlose Regime nicht hat.
Ein Blick in die jüngere Geschichte zeigt, dass die organisierte Weltgemeinde nicht gerade ein Topkandidat in Sachen Geschwindigkeit und Effizienz ist: nach Hitlers Machtergreifung dauerte es sechs Jahre, bis die Grossmächte dem Dritten Reich den Krieg erklärten und nochmal weitere sechs Jahre, bis der nationalsozialistische Alptraum beendet wurde. In Kambodscha konnten Pol Pots verwirrte Fanatiker in aller Ruhe einen Grosteil des eigenen Volks abschlachten. Die lateinamerikanischen Militärjuntas hatten zu keinem Zeitpunkt eine ernsthafte internationale Intervention zu befürchten. Ruanda ist 'schlicht und ergreifend passiert'.
Und die realisierten Einsätze? Objektiv betrachtet alles andere als Ruhmesblätter. Afghanistan, Irak, Bosnien, Somalia - das Peter-Prinzip paart sich mit Murphys Gesetz. Ausschliesslich Libyen entpuppte sich als Erfolg, die NATO unterstützte die Freiheitskämpfer von der Luft aus gegen die Truppen Gaddafis. Jedoch eine Ausnahme die die Regel bestätigt.
Doch das ist keine Entschuldigung dafür, im Falle Syriens dermassen wenig zu unternehmen. Zerrissen zwischen den Absichten der einzelnen Mitglieder und den daraus resultierenden Stellvertreterkriegen scheinen die Vereinten Nationen immer noch nicht begriffen zu haben, dass sie längst zu Komplizen von Assads mordenden Söldnern geworden sind. Tag für Tag verlieren dutzende, manchmal sogar hunderte gewaltsam ihr Leben, während wiederholt Friedenskonferenzen stattfinden und Friedenspläne präsentiert werden, in denen meistens dieselben Forderungen wieder auftauchen, die Wochen zuvor vom Regime verächtlich verworfen wurden. Geradezu der Gipfel der Naivität.
Bei der Auflistung der Kardinalfehler, die die globalen Gemeinschaft zu verantworten hat, ist als Hauptpunkt aufzuführen, dass die Führenden der Welt immer noch glauben, Assad sei zu einem Dialog bereit. Er ist es eben nicht und selbst die einfachsten Gemüter unter uns realisieren das. Ein weiterer Kardinalfehler ist das öffentliche Erscheinungsbild der selbsterkorenen Verhandlungspartner: eingehüllt in eine nebulöse Aura lassen sie nach ihren Auftritten mehr Fragen offen als beantwortet. Können sie in Wirklichkeit nicht mehr tun? Wollen sie in Wirklichkeit nicht mehr tun? Trifft fatalerweise beides zu? Mit jedem weiteren Tag der Tatenlosigkeit verliert die Organisation an Glaubwürdigkeit. Auch auf die Gefahr hin, dass dies nun sarkastisch klingt, mit einer erfolgreichen Beendigung der mörderischen Aktivitäten durch direktes Einwirken auf Assad könnte Russlands Putin, der als Mäzen der andauernden Massaker betrachtet wird, theoretischerweise als Retter vieler Leben in die Geschichte eingehen - nicht unbedingt aus Sicht der bis dato leidgeprüften Syrer selbst, doch im Spiegel der Weltgeschichte betrachtet durchaus. Und Ban Ki-moons zahnloser Verein würde unnützer denn je dastehen.
Wie lange wird es wohl noch dauern, bis die Welt die Bedeutung des Wortes 'vereint' wiederentdeckt? Nachdem Assad den Befehl gegeben hat, chemische und biologische Waffen gegen die Bevölkerung einzusetzen? Nachdem Massenvernichtungswaffen gesprochen haben? Leider wird es dann endgültig zu spät für die meisten sein. Und nicht nur Russland, China oder der Iran, sondern die ganze Welt werden mit der Schuld der Tatenlosigkeit und der direkten und indirekten Mittäterschaft für eine sehr lange Zeit leben müssen ..
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